Analyse und Repertorisation nach A. Reizbarkeit + B. Reiz > C. Reaktion.
Ich strebe eine Objektivierung des Symptomenwahlverfahrens an. Das ist nur relativ möglich, weil das Resultat jeder Repertorisation von dem oder en verwendeten Repertorien limitiert wird. Wie kann man wenigstens innerhalb dieses Rahmens relatzive Sicherheit erreichen?
Im Programm sind über 8000 übersetzte Symptome verfügbar. Alle Gemütssymptome (Reizbarkeit) sind mit dem Buchstaben A, alle Symptome mit Modalitäten (Reiz) mit dem Buchstaben B und alle Lokalsymptome (Reaktion) mit dem Buchstaben C versehen.
Die ABC-Methodik ersetzt bei mir seit 2021 zweite Jahreshälfte den bisherigen programminterne Analysealgorithmus von symptom & sense, der auf inneren Widersprüchen beruht, die sich in widersprüchlichen Symptomen spiegeln. Grund ist die Tatsache, dass das Repertorium zu inhomogen ist, um diesem Analysanspruch bei der Umsetzung in ein homöopathisches Mittel gerecht zu werden.
Anmerkung: Wenn man sich mit den programminternen Gepflogenheiten von symptom & sense vertraut machen will, findet man alles im Portal zum Programm, Dropdownmenü Einführung unter Praxis-Handbuch oder unter dem Dropdownmenü Video ebenfalls unter Praxis-Handbuch.
Suche jedes relevante Symptom aus der Krankengeschichte im Programm auf und übertrage es auf die Seite Symptomsuche.
Symptomenliste der Seite Symptomsuche: Man erhält so eine Reihe von A-Symptomen, sie beschreiben die charakteristische Reizbarkeit, eine zweite Reihe von B-Symptomen, sie verweist auf den Reiz und damit indirekt auf die Ursache - in manchen Fälle wird hier direkt die Ursache stehen -, zuletzt ist da noch eine dritte Reihe von C-Symptomen, das sind die lokalen Reaktionen, die Thema der Krankheitsbotschaft aufzeigen.
Reizbarkeit (A) + Reiz (B) > Reaktion (C).
A: Gemütssymptome, Empfindsamkeit, Impulse,.
B: Symptome mit Modalitäten und Ursachen, Schocks, Unfälle, Modalitäten psychische Stresssituationen mit körperliche Reaktionen, Speisesymptome etc.
C: Lokale Symptome: Ort bzw. Orte und Art der Beschwerden.
Kopiere die aktuellen Symptome aus symptom & sense und übertrage sie in eine externe Word-Datei. Aktuell bedeutet ab einer definierten Ursache oder aus dem laufenden Geschehen.
Im Normalfall wird das erste Symptom des Übertrags das Krankheitsthema, also ein C-Symptom sein. Im Grunde legen wir damit das Zentrum der Pathologie des Falles fest.
Es geht also zuallererst um das Thema der Erkrankung, das durch die C-Fraktion (Lokalsymptome) bestimmt wird. Soll heißen, welches Organ ist befallen? Was bedeutet das pathologisch?
ein Beispiel:
Wenn die Eileiter beteiligt sind, z. B. verstopfte Eierleiter, wird es um ein Frauen- und Fruchtbarkeitsthema gehen. Das bedeutet, dass die Krankheitsbotschaft von Symptomen zu erstellen sein wird, die Bezug zur Fruchtbarkeit haben.
Ein passendes B-Symptom (kausal) wäre z. B. Klimakterium oder Pubertät, weil hier ja die Fruchtbarkeit endet.
Ein passendes A-Symptom (Reizbarkeit) wäre Wahnidee, nicht anerkannt zu sein. Es beträfe hier die Rolle als Frau.
Somit wären alle drei Symptome um das zentrale Thema Fruchtbarkeit versammelt und die Symptomenwahl inhaltlich abgestimmt. Der typische Fehler, der hier passieren kann, betrifft die Frage, ob die Wahl auf den Eileiter gefallen ist, weil es das augenscheinlich schwerwiegendste Symptom in der Fallgeschichte ist?
Dieser Beispielsfall hat nämlich noch eine zweite Krankheitserzählung. Die Frau leidet seit einer Scheidungsaffäre vor Jahren unter Nesselsuchtattacken! Der verstopfte Eileiter als beeindruckendes Symptom kann davon ablenken.
Darum ist es immer gut, sich eine kurzgefasste Krankengeschichte aufzuschreiben:
Seit ihrer Scheidung, bei der es vor 12 Jahren zu extremem Verhalten des Exmannes gekommen war, leidet sie an einer chronischen Nesselsucht. Sie geht jetzt dem Klimakterium entgegen, einer ihrer Eileiter ist verschlossen und wird vermutlich operiert werden müssen. Sie neigt seit langem zu plötzlichen Ohnmachten. Eigentlich war sie wegen der Nesselsucht in die Praxis gekommen, die in Anfällen bei allen Lebensmitteln aufzutreten pflegte, in denen Histamin enthalten sind. Der Nesselausschlag wurde überdies durch Kratzen verschlimmert.
Das nun ausgewählte C-Symptom, chronische Nesselsucht, verweist auf emotionale Geladenheit, die zu Anpassungsproblemen an bestimmte Speisen führt. Hier ist anzumerken, dass Essen sozialem Kommunizieren entspricht. Nachdem die Anfälle nach fast jedem Essen erfolgen können, betrifft das spiegelbildlich den allgemeinen sozialen Umgang.
Das könnte ein Hinweis auf einen Schock als A-Symptom sein. Ihr Exmann hatte sich ja in der Scheidung als sehr problematisch erwiesen. Über die Art des Schocks gibt es aber keinen objektiven Hinweis, würde man dennoch einen Schock annehmen, wär das als Unterstellung zu werten und ein Analyseschwachpunkt.
Sie leidet schon seit langem an plötzlichen Ohnmachten (= C-Symptom) und berichtete, dass sie seit einem problematischen Zahnarztbesuch mit 16 Jahren unter Angst vor Zahnärzten leide (A-Symptom).
Plötzliche Ohnmachten sind als Fluchtreaktion aus überfordertem Anpassungspotenzial zu werten. Angst vor dem Zahnarzt ist Ausdruck der Angst, fremder Willkür ausgeliefert zu sein.
- Allein durch diese Herangehensweise ergibt sich also der Verdacht emotionaler Geladenheit als Folge einer traumatischen und bevormundenden Situation.
All diese Gedanken kann man sich nur machen, wenn man die Symptomenbedeutungen kennt.
Bevor ich nun zur Zusammenstellung der Krankengeschichte komme, sei noch darauf verwiesen, dass die genutzten Symptome immer aktuell sein bzw. mit der Krankheitsursache begonnen haben sollten. Das gilt nicht für A-Symptome (Gemütsebene), weil ja die Reizbarkeit als "Schloss" schon vorgegeben sein muss, um einen bestimmten Reiz zu einem Schlüsselereignis zu machen.
Damit sind im Wesentlichen alle Voraussetzungen beschrieben, die die ABC-Methode ausmachen.
Im Grunde geht es nun um die Zusammenstellung eines charakteristischen Symptomenensembles einander logisch zuordenbarer A-, B- und C-Symptome. Zusammen ergeben diese drei Symptome die Krankheitsbotschaft, die man zuletzt mit dem Arzneimittelbild des Mittels der Wahl zur Deckung bringt.
Folgt man der Logik der Fallgeschichte ist die chronische Nesselsucht das dringlichste Problem der Patientin.
C 3 Hautausschlag, chronischer Nesselausschlag, Nesselsucht, Urtikaria: Gefühl, durch abgelehnte Bedingungen anhaltend bedrängt, empfundener Willkürlichkeit ausgesetzt gewesen zu sein, seither Bedingungen nur mehr selektiv hinnehmen, sich manchmal anpassen, sich manchmal nur entziehen oder gegen sie opponieren zu können.
Die Ursache der genannten Bedrängnis können nur Zwangssituationen im Zusammenhang mit der Scheidung gewesen sein. Natürlich könnte man der Kopflogik folgend Begrifflichkeiten von unterdrücktem Zorn, Bevormundung , Missbrauch oder Entrüstung annehmen, das wären aber alles subjektive Interpretationen. Wir können so nicht sicher sein, ihrer eigentliche Gefühlslage zu treffen.
Von der Nesselsucht ausgehend - sie bedeutet hier, dass sie mit Bedingungen nichts am Hut hat - versucht man nun die Fallgeschichte wie ein logisches Mosaik aus den vorhandenen Symptomen zusammenzusetzen: In jedem Fall aber sind nun Symptome rund um die Urtikaria von Interesse. Wir übertragen aus der Symptomenlist von symptom & sense daher als zweites Symptom...
B 2 Kratzen; Nesselausschlag durch: Problem, Kratzen nicht als scheinbare Erlösung sondern ebenfalls nur als dominanten Einfluss und damit zusätzlich erregende Bedrängnis erfahren zu können.
Man sieht in der Modalität des B-Symptoms, dass sie selbst Kratzen als Bedingung oder Bedrängnis interpretiert. Das ist ein objektiver Hinweis auf ihre emotionale Überreiztheit.
Damit gilt es die A-Symptome (Reizbarkeit) auf Hinweise zu untersuchen. Wir wissen aber als Folge der Erkenntnis ihrer Phobie gegen Bedingungen und übergroßen Erregbarkeit, dass es um eine übergriffige Situation mit ihrem Exmann gehen muss. Die ist aber nicht ohne weiteres in eine Rubrik zu fassen, weil es ihre Gesamtlage und keine Einzelsituation betroffen hatte.
Aus der Krankengeschichte wissen wir, sie hat als Sechzehnjährige eine negative Erfahrung mit einem rücksichtslos bohrenden Zahnarzt gemacht und leidet seither unter Furcht vor Zahnärzten.
A 2 Zahnärzten; Angst, Furcht vor Zahnarzt: Vorstellung, fremder Dominanz hilflos ausgeliefert zu sein, ihr (in seiner Eindrücklichkeit, Präsenz = Zahnthema) nicht zu entsprechen und daher durch einen gewaltsamen Eingriff korrigiert zu sein.
Es ist eindeutig die gesuchte Situation des hilflos ausgeliefert Seins, die sie dann später während der Scheidung wieder erfahren haben musste.
Die ABC-Symptomatik ist damit logisch abgeschlossen. Ihre Phobie gegen Bedingungen und übergroßen Erregbarkeit basiert aus Erfahrungen, hilflos ausgeliefert zu sein.
- Vierter Schritt: a. Krankheitsbotschaft und b. Repertorisation:
a. Krankheitsbotschaft: Wir setzen die Bedeutungen zusammen:
Reizbarkeit (A) + nun aber Reiz (B) > meint daher Reaktion (C).
A: Furcht vor Zahnärzten: Vorstellung, fremder Dominanz hilflos ausgeliefert zu sein, ihr (in seiner Eindrücklichkeit, Präsenz = Zahnthema) nicht zu entsprechen und daher durch einen gewaltsam Eingriff korrigiert zu sein
Man muss diesen Text in eine Empfindsamkeit umwandeln:
A: Empfindsamkeit gegen fremde Dominanz
B: Kratzen verschlimmert Urtikaria: ...nun aber... Problem, Kratzen nicht als scheinbare Erlösung sondern ebenfalls nur als dominanten Einfluss und damit Bedrängnis erfahren zu können, emotional an der Grenze zu sein
Man muss diesen Text als eine einwirkende Reizsituation fassen:
B: nun aber zusätzliche Bedrängnis ausgesetzt zu sein.
C: chronische Urtikaria: ... meint daher, durch abgelehnte Bedingungen anhaltend bedrängt, empfundener Willkürlichkeit ausgesetzt gewesen zu sein, seither Bedingungen nur mehr selektiv hinnehmen, sich manchmal anpassen, sich manchmal nur entziehen oder gegen sie opponieren zu können
Ma muss den Text als Reaktion fassen:
C: meint, seither Bedingungen nur mehr selektiv hinnehmen, sich manchmal anpassen,
sich manchmal nur entziehen oder gegen sie opponieren zu können
Zusammenfassung als Krankheitsbotschaft:
A: Ist sehr empfindlich gegen fremde Dominanz > B: erfährt sich nun aber zusätzliche Bedrängnis ausgesetzt. > C: und meint, seither Bedingungen nur mehr selektiv hinnehmen, sich manchmal anpassen, sich manchmal entziehen oder gegen sie opponieren zu können.
b. Repertorisation:
Wir sehen uns nun das Resultat der Repertorisation dieses "Symptomenensembles" an.
Die Repertorisation geht nach Summe der Symptome. Das ist meine persönliche Entscheidung. Das Repertorium ist für mich allein schon durch die Frage der Präsenz von Mittel in den gewählten Rubriken überfordert, wie erst wenn man die Wertigkeiten miteinbezieht?
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calc.
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hep.
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ant-c.
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ars.
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bov.
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dulc.
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3
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3
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2
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2
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2
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2
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C.a. Urtikaria chronisch (Synthesis)
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1
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1
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3
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3
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3
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3
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C.a. URTIKARIA CHRONISCH (Complete)
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1
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1
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2
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2
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2
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2
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B. Urticaria nach Kratzen (Synthesis)
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2
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2
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1
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1
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1
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3
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A. Zahnarzt; Furcht vor (Synthesis)
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1
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1
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-
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-
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-
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-
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Das ergibt zwei Mitteln der Wahl:
calcarea: Angst, hervortreten, sich den Veränderungen der eigenen Entwicklung oder der Veränderlichkeit der Umfeldbedingungen stellen zu müssen, also ohne familiären Rückhalt selbständig zu sein, weil es meint, sich entfalten und überzeugen zu müssen, jedoch fürchtet, es mangels Eignung oder allzu hoher Ansprüche des Umfelds nicht zu schaffen und daher als Versager, Außenseiter, im Extrem als verrückt erachtet zu sein;
Strategie: versucht durch Überforderung (extremes Engagement) oder Unterforderung ((Rückzug auf sichere Bezüge, also Problemverdrängung) sein Dilemma zu lösen;
hepar sulfuris: Vorstellung, fremder Dominanz ausgeliefert, Willkür, Gewalt ausgesetzt zu sein, somit nicht zu entsprechen sich nur maßlos erregen, rebellieren oder abschalten zu können, weil es meint, durch fehlenden äußeren Rückhalt, haltgebender Basis hilflos zu sein, sich weder stellen noch einlassen, angesichts unpasssender Bedingungen nur verschwinden, sich auflösen oder nur selber attackieren zu können;
Strategie: zerstören, was nicht entspricht, sich selbst oder das Umfeld.
Der Vergleich mit der Krankheitsbotschaft, lässt keine Zweifel offen. Hepar sulfuris ist erstes Mittel der Wahl.
Man könnte nun meinen, besser geht es nicht. Man kann sicherheitshalber eine Differenzialdiagnose bezüglich der Passung von hep auf die Restsymptome, z. B. plötzliche Ohnmacht, machen. Auch die ist befriedigend.
Fest steht, wir haben eine perfekte Verschreibung, weil die Krankheitsbotschaft wegen der nach logischen Gesichtspunkten ausgewählten Symptome mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit getroffen ist.
Ob allerdings das Repertorium mit hep. das bestmögliche Mittel ausgeworfen hat, wissen wir erst nach seiner Anwendung. Wir sind hier letztlich von der Qualität der Rubrik, Furcht vor Zahnärzten, abhängig. Die lernen wir bezogen auf unseren Fall jetzt kennen.
Dieses Fallbeispiel zeigt alle Schwierigkeiten und Tücken der homöopathischen Analyse auf. Wenn man die Symptomenauswahl als Hierarchisierung sehen will, reicht sie an das maximal Mögliche heran.
Stets aber ist zu bedenken, dass die Symptomenpräsenz eines Arzneimittels in mehrerer Hinsicht entscheidet.
· Eine homöopathische Verschreibung basiert auf Nachschlagwerken mit unscharfen Symptomenbeschreibungen, deren unvollständige Rubriken auf unscharfe Arzneimittelbilder verweisen.
· Die Schwierigkeit der homöopathischen Verschreibung ist, dass keine Symptomenrubrik alle möglichen Arzneimittel beinhaltet und dass kein Arzneimittelbild einer homöopathischen Arznei alle relevanten Symptome beinhaltet.
· es ist kritisch, wenn die Anzahl der vorhandenen Symptome eines Arzneimittels unter 1500 geht.
· wenn die Verhältnismäßígkeit von Gemütssymptomen, von Körper- und Allgemeinsymptomen zueinander zugunsten einer der drei Fraktionen aus dem Ruder läuft.
Dr. Philipp Zippermayr
Standardisierung der Symptomenwahl zur homöopathischen Repertorisation nach objektiven Kriterien Teil 1.S
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